Prozessqualität

Abbildung 3: Maßnahmen zur Zielerreichung von Null- und Pluseergiegebäuden in Anlehnung an (Achammer, 2015)

Die Komplexität im Planungsprozess nimmt kontinuierlich zu. Die Potentiale der Einflussnahme auf Energieoptimierung, Komfort und Kosteneffizienz als die wesentlichsten Merkmale nachhaltiger Gebäudeplanung liegen in den frühen Planungsphasen. Bereits in der Bedarfsplanung müssen Voraussetzungen geschaffen werden, um das Anforderungsprofil mit vollständigem Bauprogramm und eindeutigen Projektzielen zu definieren. Zu häufig scheitern erfolgversprechende Gebäudekonzepte daran, dass Projektbeteiligten die vielfältigen Wechselwirkungen ganzheitlicher Planungszusammenhänge nicht ausreichend bekannt sind. Um dieses Risiko von vornherein zu minimieren, sind solche Hindernisse frühzeitig zu identifizieren. Es ist notwendig, unter allen Akteuren von Anbeginn an ein gemeinsames Planungsverständnis zum energieeffizienten und nachhaltigen Bauen herzustellen. Um den Start in ein neues Planungsprojekt optimal gestalten zu können, müssen fachliche Qualifikationen und Rollenverständnisse geklärt sowie Aufgaben und Funktionen für den Planungsprozess vollständig erfasst und zugeordnet werden.

 

Die Prozessqualität ist abhängig von der Projektorganisation und den bereitgestellten Informationen über Projektziele und Rahmenbedingungen. Aufbau, Ablauf und die Steuerung des Bauprojekts sind wesentliche Bausteine der Planungsprozessqualität, die sich aus dem klassischen Projektmanagement ableiten lassen. Es ist die Aufgabe des Bauherrn als Projektmanager ein Projektteam zusammenzustellen, welches den Anforderungen seiner Projektziele in jeder Leistungsphase gerecht werden kann. Es obliegt zudem dem Auftraggeber, das Maß der Auslagerung von Verantwortung und Entscheidungsmacht zu bestimmen und sie auf andere Akteure zu über-tragen. Zur Aufstellung eines Projektteams gehört neben der Darstellung der fachlichen Kompetenzen auch die Regulation der Schnittstellen und Kommunikationswege, um die Problematik der Koordination und Kooperation zu vermeiden (Sommer, 2016).

Die Zusammenstellung von Projektbeteiligten sowie die Definition von Zuständigkeiten, Entscheidungsebenen, die Regulation der Schnittstellenfunktionen und die Darstellung der fachlichen Kompetenzen entsprechend der komplexen Anforderungen legen die personellen Grundstrukturen für die Bewältigung der lebenszyklusorientierten Bauaufgabe (vgl. IG-Lebenszyklus, 2014).

Das Ziel „Niedrigst- bis hin zu Nullenergie“ muss bereits in einem sehr frühen Stadium des Projekts definiert werden. Für den Planer bedeutet dies, dass er die zukünftige Energiebilanz eines Gebäudes oder eines Gebäudeverbandes in jeder Planungsphase kennen muss. Die Frage wie viel Energie für den Betrieb eines Bauwerks benötigt wird und woher diese kommt ist daher von großer Bedeutung. Im Mittelpunkt steht die Substitution des Einsatzes fossiler Energie, die durch die Einspeisung der vor Ort erzeugten, erneuerbaren Energie (z. B. Solarthermie, PV) erreicht werden kann (siehe Abbildung 2) . Man spricht in diesem Fall von einer sogenannten Nullenergiebilanz. Diese primärenergetische Bilanz ist im Idealfall über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes zu berechnen. Ob das jeweilige Nullenergie-Projekt tatsächlich auch in der Praxis erfolgreich ist, lässt sich jedoch erst nach mehreren Jahren Nutzungsdauer, und nicht nur anhand detaillierter Berechnungen in der Planungsphase feststellen. Durch den stark reduzierten Heizwärme- und Kühlbedarfs nimmt bei Nullenergiegebäuden der Haushaltsstrom sehr oft den größten Anteil am Gesamtenergiebedarf ein. Auf Grund des unterschiedlichen Nutzerverhaltens zeigen sich hier aber große Unterschiede zwischen dem tatsächlichen Verbrauch und den berechneten Werten.

Dabei ist abzuwägen, wie viele und welche Spezialisten er für das Projekt anstellt; abhängig von Umfang und Komplexität der Bauaufgabe. Grundsätzlich ist die Organisationsform der integralen Planung anzustreben, da diese die komplexen Anforderungen lebenszyklusorientierter Projekte erfüllen kann: sie erreicht „die zielgerechte Berücksichtigung von Expertenwissen verschiedener Fachdisziplinen und im Ergebnis ein ganzheitlich optimiertes Gebäude, in dem unterschiedliche Anforderungen ausgewogene Beachtung finden.“(BMWi, 2015, S. 4). In der Projekt-konstellation ist in vier übergeordnete Entscheidungsebenen zu differenzieren, deren Festlegung die Koordination des Projekts sichern, den Ablauf reibungsloser gestalten und somit Termin- und Kostenüberschreitungen verhindern (vgl. Tabelle 3-8). Zudem wirkt diese Projektorganisation qualitätssichernd, da mehrere Instanzen die Einhaltung geforderter Leistungen prüfen können.

Nur eine simultane und umfassend interdisziplinäre Bearbeitung kann Abhängigkeiten zwischen Funktion, Form und Energie aufdecken und somit auch die vielfältigen Kostenauswirkungen von Maßnahmen identifizieren, bewerten und abwiegen. Dies betrifft insbesondere die durch die Lebenszykuskostenberechnung nicht erfassbaren finanziellen Konsequenzen architektonischer Entscheidungen auf die Energiekosten. Aber auch die erweiterte Betrachtung der Umweltwirkungen bedarf entsprechender Experten und eine enge Zusammenarbeit, um zeitnah Varianten bewerten und vergleichen zu können. Die enge und iterative Zusammenarbeit reduziert zudem Informationsverluste sowie Planungskollisionen und verhindert dadurch zeit- und kostenintensive Planungsschleifen (vgl. BNB, BN 5.1.2 Planung, 2015). Fachexperten der Nachhaltigkeit sichern die Bearbeitung der geforderten Qualitäten bei Planung und Ausführung, insbesondere derjenigen, die vorab nicht quantitativ definierbar sind. Zusätzlich bedarf es der Absicherung von Planungsabläufen mithilfe von Vorgaben zu Terminen, Austauschmedien und operativen Hilfsmitteln. Mit Hilfe dieser kann die zielführende Lösungsentwicklung mittels Variantenmethodik und Kontrollverfahren gefestigt werden: Variantenentwicklung, vergleichende Lebenszyklusbewertung und ein stetiger Soll-Ist-Abgleich der Lösungsvorschläge mit den baulichen Zieldefinitionen dienen als Verfahren zur Qualitätssicherung, die durch Angaben zu Prioritäten und Daten- bzw. Informationsgrundlagen für die Lebenszyklusberechnung zum wirkungsvollen Steuerungsinstrument der Bedarfsplanung wird.

Die Qualität der Weitergabe und Aktualisierung von Informationen im gesamten Erstellungsprozess werden umso relevanter, je komplexer die Aufgabe und Planungsorganisation ist, denn in mangelhafter und fehlerhafter Informationsverfügbarkeit liegt die Quelle für Fehlplanungen und Terminüberschreitun-gen. Daher ist auch die Festlegung von Kommunikationswegen und -medien für die Reduzierung des Daten- und Zeitverlusts von hoher Bedeutung, da reibungslose und transparente Kommunikation der Schlüssel zur effizienten Planung ist. Diese muss über den gesamten Erstellungsprozess aufrechterhalten werden, da spätere Entscheidungen auf Basis sämtlicher Informationen voriger Entscheidungen und Abhängigkeiten getroffen werden müssen.