Vorgehensweise bei der Optimierung

Beim klassischen Planungsablauf entwickeln Bauherr, Architekt und Fachplaner ein Gebäude mit der zugehörigen Ausstattung und Haustechnik. Oftmals optimiert jeder in „seinem“ Bereich und so wird manchmal das Bauvorhaben als Ganzes aus den Augen verloren. Anstatt dass der Fachplaner eine mechanische Kühlung zur Gewährleistung des Sommerkomforts einplant und somit Energieverbrauch induziert, könnte oftmals zum Beispiel auch gemeinsam über geeignete Fenstergrößen, Verschattungsmöglichkeiten oder natürliche Lüftungskonzepte nachgedacht werden. Im klassischen Planungsablauf werden meist nur wenige Varianten betrachtet und oftmals nicht parallel geplant und analysiert, sondern bereits in einer frühen Phase verworfen. Somit kann es passieren, dass am Schluss ein Gebäude gebaut wird und bei der Nutzung stellt sich heraus, dass z.B. die Betriebskosten hoch sind.

Werden hingegen in der Planungsphase bereits mehrere Varianten realistisch miteinander verglichen, auch über die Lebenszykluskosten, so kann hier schon im Vorfeld eine fundierte Entscheidung getroffen werden.

Die Frage nach dem „was“ optimiere ich oder welches sind meine Zielgrößen wurde im vorherigen Abschnitt dargestellt. Die nächste Frage die sich stellt ist, „wie“ optimiere ich?

  • Herkömmliche Optimierung mittels manueller „Suche“ einiger Varianten (Abbildung 10 linke Grafik).
  • Optimierung anhand von Algorithmen zur Extremwertsuche (Wetter, 2001).
  • Brute-force-Methode mit der Untersuchung aller möglichen Lösungen (Zhang and Korolija, 2010) (Abbildung  1 rechte Grafik).

Abbildung 1: Optimierungsstrategien in der Gegenüberstellung (eigene Darstellung, aufbauend auf (Naboni et al., 2013)).

Der Vorteil der manuellen Suche der Optima liegt meist in der überschaubaren Anzahl an Varianten und damit dem nicht allzu hohen Aufwand. Der Nachteil liegt darin, wie in Abbildung 10 dargestellt ist, dass womöglich nur ein lokales Optimum gefunden wird und nicht die global beste Lösung.

Die Optimierung anhand einer Extremwertsuche bietet den Vorteil, dass die auf eine Zielgröße oder Kostenfunktion hin optimierte Variante je nach Optimierungsfunktion mehr oder weniger genau gefunden wird. Sie lässt aber keine Aussage zu Maxima, Minima oder statistischen Verteilungen der Varianten zu. Zudem wird es erschwert, die vorher beschriebenen Zusatznutzen zu betrachten, da sich diese wie beschrieben oft nicht als harte Zielgröße z.B. monetär beschreiben lassen.

Bei der Brute-force Methode oder der Untersuchung aller möglicher Variantenkombinationen werden alle Lösungen betrachtet. Sie bietet also den Vorteil, dass statistische Auswertungen gemacht werden können, Verteilungen abgeleitet und auch für ausgewählte Varianten die Zusatznutzen betrachtet werden können. Ein großer Nachteil ist die schnell sehr große Anzahl an Varianten (mehrere Tausende), welche nur noch automatisiert berechnet werden können. Auch schränkt es die Berechnungsverfahren ein. Wird z.B. mit dynamischen Gebäudesimulationen optimiert, bei denen schon jede einzelne Simulation mehrere Stunden benötigt, ist es mit überschaubarem Rechenzeitaufwand nicht möglich, tausende Varianten zu berechnen. Hier muss auf vereinfachte Verfahren zurückgegriffen werden, oder die Aufgabe auf ein Netzwerk von Rechnern verteilt werden. Hier wird oft auf cloudbasierte Lösungen zurückgegriffen wie in den Studien von (Naboni et al., 2013; Long et al., 2014) beschrieben ist oder es werden statistische Verfahren angewandt, bei denen nicht alle Varianten berechnet werden müssen.

Die grobe Vorgehensweise einer energetisch- wirtschaftlichen Optimierung ist in Abbildung 11 dargestellt:

  • Entwurf, erste Voroptimierungen.
  • Festlegen von Zielgrößen.
  • Festlegen der zu variierenden Parameter und ihrer Niveaus z.B. Hüllqualität, Heizsystem, Fenstergröße, Fensterqualität.
  • (Automatisierte) Energiebedarfsberechnungen nach Energieausweis, Passivhaus Projektierungspaket (PHPP 9.2 Passivhausprojektierungspaket, 2015), dynamische Gebäudesimulation.
  • Modulare Ausschreibung zur Kostenermittlung jeder variierten Komponente oder in einem Vorstadium eine Kostenschätzung.
  • Berechnung der Lebenszykluskosten jeder Variante unter Berücksichtigung der Förderung, Wartung, Ersatzinvestitionen und des Restwerts.
  • Auswertung und Ergebnisdarstellung.

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Vorgehensweise zum Ermitteln der kostenoptimalen Lösung (eigene Darstellung).

Am Energieinstitut Vorarlberg (EIV) wurde im Rahmen des „KliNaWo“ Projektes eine Methode entwickelt, um die Lebenszykluskosten zigtausender Varianten ohne Förderung und mit unterschiedlichen Fördermodellen automatisiert zu berechnen. Im KoPro LZK+ Projekt wurde diese Methode mit der AEE INTEC weiterentwickelt, verfeinert und vor allem Anwenderfreundlicher gestaltet. Die automatisierte Berechnung für viele Varianten, welche in vorliegendem Bericht angewandt wurde:

  • ist eine Weiterentwicklung der „KliNaWo“ Rechenmethode durch Energieinstitut Vorarlberg und AEE INTEC.
  • Reduzierung des Zeitaufwandes durch Nutzung bestehender Energiebedarfsberechnungen eines Gebäudes mit dem Passivhaus Projektierungspaket PHPP.
  • Die Lebenszykluskosten werden mit dem EIV Tool econ calc berechnet (Kosten- und Wirtschaftlichkeitsrechner econ calc, 2017).
  • Automatisieren der Berechnung durch VBA-Makros in MS-Excel©.
  • Genauere Beschreibung der Methode und der Lebenszykluskosten im Themenband session 5 (‘Modellvorhaben „KliNaWo“ Klimagerechter Nachhaltiger Wohnbau’, 2017) https://www.energieinstitut.at/pdfviewer/economicum_themenband-5/.

Mit dieser Methode konnten für die sieben untersuchten Beispielgebäude über 200.000 verschiedene Varianten in einem überschaubaren Zeitaufwand berechnet werden. Für die 75.000 Varianten des MFH Feldkirch lag die reine Rechenzeit auf einem Standard Notebook bei etwa 20 Stunden. Somit können auch aufwändigere Untersuchungen über ein Wochenende berechnet werden, was die Handhabbarkeit wesentlich vereinfacht. Meist ist es auch so, dass ein Gebäude mehrmals berechnet werden muss, da oft erst bei der nachfolgenden Ergebnisauswertung Eingabefehler und fehlende Eingaben, welche durch die Kombinatorik der Parameter entstehen, erkannt werden können.