Die energetische Qualität von Neubauten und Sanierungen konnte in den vergangenen 30-40 Jahren stetig verbessert werden. Seit einigen Jahren werden die zur Erreichung der internationalen, europäischen und nationalen Klimaschutzziele notwendigen weiteren Verschärfungen der Mindestanforderungen und der durchschnittlichen Gebäudequalität zunehmend kritisch diskutiert. Hauptkritikpunkte sind die reale energetische Performance der Gebäude („performance gap“, „rebound-Effekt“), sowie die aus Sicht der Kritiker zu hohen Mehrkosten und die mangelnde Wirtschaftlichkeit energieeffizienter Gebäude mit hohen Anteilen regenerativer Energien. Die anhaltende Diskussion hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass
- Die Entwicklung zu strengeren Mindestanforderungen an die energetische Gebäudequalität sich in Österreich wie in anderen EU-Staaten verlangsamt hat
- Die durchschnittliche Qualität von Neubauten und Sanierungen in den vergangenen drei bis fünf Jahren stagniert (u.a. Auswertung Energieausweiszentrale Vorarlberg)
- Null- und Plusenergiekonzepte aufgrund überschätzter Investitions-Mehrkosten und Zweifeln an der Performance in vielen Projekten nicht verfolgt oder nicht umgesetzt werden
Im Fokus der Forschung der vergangenen Jahre stand vielfach die (Weiter)Entwicklung technischer Konzepte und das Monitoring der energetischen Performance und der thermischen Behaglichkeit, zu diesen Themen sind in Österreich wie im europäischen Ausland zahlreiche Publikationen zu erfolgreichen Projekten verfügbar[1][2][3].
Weit weniger Projektberichte sind zum Thema Kosten und Wirtschaftlichkeit energieeffizienter Gebäude sowie zum methodischen Vorgehen bei der durchgängigen energetisch-wirtschaftlichen Optimierung in allen Planungsphasen vorhanden.
So gibt es etwa in Österreich keine allgemein verfügbare Baukostendatenbank ähnlich der BKI Baukostendatenbank in Deutschland und die Abfolge und das Ineinandergreifen der Behandlung des Themas der energetisch-wirtschaftlichen Optimierung in den verschiedenen Planungsphasen ist nicht ausgearbeitet. Während sich einige Projekte mit dem Thema der Kosten und Wirtschaftlichkeit auf gebäude- und Komponentenebene beschäftigten, sind Projekte zu Kosten- und Wirtschaftlichkeitsaspekten in den vorgelagerten Planungsphasen sehr selten.
Ein Mangel an Wissen unter Entscheidungsträgern im Stadtplanungs- und Bauplanungsprozess ist hier ein wesentlicher Faktor. Ohne ausreichende Kenntnisse der Entscheidungsträger werden sehr oft suboptimale Entscheidungen getroffen und verfügbare Potentiale nicht genutzt. Potenzielle Kosteneinsparungspotentiale in der Planung und Errichtung zukünftiger Gebäudestandards, werden oft aufgrund der spärlichen Verfügbarkeit von belastbaren Daten zu Lebenszykluskosten und der unsicheren tatsächlichen Performance von innovativen Technologien und der sich daraus ergebenden Unsicherheiten oftmals nicht erhoben.
Der endgültige Entschluss zur Realisierung von Null- und Plusenergiegebäuden wird in vielen Fällen von Immobilienentwicklern ergriffen, deren Entscheidungen häufig auf einer reinen finanziellen Motivation auf Basis der Errichtungskosten beruhen. Jedoch sind wirtschaftliche Machbarkeitsstudien und finanzielle Informationen ein wichtiges Thema während des gesamten Prozesses. Das Wissen um Lebenszykluskosten hat jedoch derzeit keine hohe Priorität im übergeordneten Planungsprozess, zum Teil weil es unklar ist, wessen Aufgabe es ist, solche Informationen zu liefern. Allerdings fehlt eine umfassende Zusammenstellung und Übersicht über relevante Entscheidungen und Maßnahmen in Bezug auf die Kostenstruktur, die verwendeten Werkzeuge und beteiligten Akteure in chronologischer Reihenfolge im Gesamtprozess.
In der Regel werden die Schritte in Richtung Null- und Plusenergie nicht konsequent durchgehend vom Flächenwidmungsplan, über das städtebauliche Konzept bis hin zur Gebäudeplanung, der Errichtung und den Betrieb dieser Gebäude umgesetzt. Die Entscheidung Richtung Null- oder Plusenergie und die damit notwendigen Maßnahmen werden meist erst in einer späten Phase der Gebäudeplanung getroffen und haben damit wesentliche Auswirkungen auf die Bauwerks- und Errichtungskosten (Bauträger).
Auch die Anforderungen an Gebäude haben sich in den letzten Jahrzehnten vor allem in Bezug auf Energieeffizienz, Energieversorgung, Komfort und Wirtschaftlichkeit im Betrieb stark verändert, wodurch die Planung bzw. Errichtung von Bauwerken zu einer immer komplexeren Aufgabe wurde. Die fachlich reibungslose Zusammenarbeit zwischen ArchitektInnen, FachplanerInnen und ausführenden Firmen verschiedener Disziplinen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Projekt-Beteiligten sollten schon an einem sehr frühen Punkt im Errichtungsprozess mögliche problematische Entwicklungen erkennen und Planungs-, Ausführungs- oder Nutzungsentscheidungen entsprechend anpassen, damit eine maßgebliche Performanceoptimierung erreicht wird.
In dieser frühen Planungsphase stehen Bauherr und Architekt vor der Entscheidung, das architektonische Konzept, die Art und Qualität die Hülle und die technische Ausstattung des Gebäudes zu definieren. Oftmals wird primär die Höhe der Baukosten als bestimmender Faktor herangezogen, während die laufenden Betriebskosten keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Dies liegt häufig daran, dass der Fokus der Kostenbetrachtungen nur auf einem StakeholdeInnen liegt, in der Regel auf dem Bauherrn. Vorgelagerte Prozesse und Kosten, wie z.B. jene der Stadtplanung oder Flächenwidmung werden erfahrungsgemäß nicht betrachtet. Auch Prozesse und somit Kosten, welche nach Fertigstellung des Gebäudes auftreten, wie z.B. Nutzung durch Mieter/Eigentümer, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten bzw. auch Sanierung oder Abbruch des Gebäudes fließen kaum in die Kostenbetrachtungen zu Beginn der Entscheidungsphase in die Überlegungen mit ein.
Die Möglichkeit diesem Umstand entgegen zu treten, wäre durch die Berücksichtigung der Lebenszykluskosten über die ganze Lebensdauer des Gebäudes gegeben. In diesem Fall würden zumindest auch die nachgelagerten Prozesse und Kosten, wie Wartung, Betrieb und Ersatzinvestitionen eingeschlossen werden. Oft werden Null- und Plusenergiekonzepte aufgrund hoher Investitionskosten und Unsicherheiten über die tatsächliche Performance (Kosten, Energie, Behaglichkeit) dieser Gebäude wieder verworfen.
[1] CEPHEUS: CEPHEUSCOST EFFICIENT PASSIVE HOUSES AS EUROPEAN STANDARDS, Kurzfassung, Europäische Kommission XVII -Energy, vom 20.09.1999.
[2] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) , Wege zum Effizienzhaus Plus-Grundlagen und Beispiele für energieerzeugende Gebäude 2006
[3]R. Lechner, monitorPLUS – Endbericht Monitoring der Leitprojekte aus Haus der Zukunft PLUS, 2015